Extreme Mütter oder, wie ein Drogeriebesuch zum Hindernislauf wurde

Liebe Leser,

zunächst sollt Ihr wissen, dass ich diesen Text hier mit meinen Mittelfingern tippe.
Diese Geste geht an all die Vertreterin der Zunft 'Mutter', die meinen, sie hätten den goldenen Preis der Kindererziehung mit dem Durchschneiden der Nabelschnur bekommen.

Es geht mir heute um ein Thema, mit dem jede Mama früher oder später in Berührung kommt: 
Andere Mütter. Besser gesagt: andere, extreme Mütter. Oder, meistens weibliche, Zeitgenossen, die sowieso alles viel, viel besser wissen.

Ich habe in meinem Leben zum Glück den ziemlich privilegierten Status der Vorsitzenden des Scheiß-auf-eure-Meinung e.V. erreicht und kann somit ganz gut entscheiden, was ich mir zu Herzen nehme, und was nicht, aber es brennen mir trotzdem ein paar Erlebnisse unter den Nägeln, die ich Euch nicht vorenthalten möchte.

Sogar in diesem Moment topaktuell, denn während ich angefangen habe, diese Zeilen hier mit angespitzten Mittelfingern in die Tasten zu hauen, hat sich mein 15 Monate altes Mädchen plärrend unter meinen Stuhl geworfen, weil ich sie mal eben 5 Minuten nicht auf dem Arm habe und sie- ich Ausgeburt der Selbstsucht! -nicht mit ihren kleinen, brezelsabberverklebten Händchen auf meiner Laptoptastatur rumhämmern lasse; natürlich schaut just in diesem Augenblick die unverfroren gierwitzige, dazu gelangweilte Rentnerbarbie von gegenüber in unser Wohnzimmer, schüttelt ausdrucksstark die vom fetzigen Dorffriseur zurechtgezupfte Rübe und ich meine, auch durch die geschlossenen Fenster, den deutschesten aller Ausdrücke hören zu können: Tz. 

Schon klar.
Die bedürfnissignorierende Mutter beschäftigt sich lieber mit DIESEM neuen Medium mit Internet, als ihren Spross aus gesalbten Geläut zu säugen. So etwas hätte es früher nicht gegeben. 
Danke. 

Nun gut. Setzen wir uns also kurz einmal damit auseinander, auf was ich heute weniger eingehen möchte; wie funktioniert DIESES Internet?

Du stellst eine Frage und bekommst die falsche Antwort auf eine andere Frage, dann wird deine Mutter beleidigt, du bekommst Emails für kostenfreie Penispumpen und ob du "den Schrank im Hintergrund" auch verkaufst, im Hintergrund laufen Katzenvideos und irgendeiner schreit Hitler. 
Was passiert, wenn man auf entsprechenden Webseiten eine solche "Frage" an eine Gruppe Mütter richtet, ist leider ausführlich in meinem letzten Post nachzulesen. 

Heute möchte ich Euch eher an ein paar realen Alltagserlebnissen teilhaben lassen.

Holt schon mal die Kondome und Antibabypillen aus dem Schrank, genießt das aufgeräumte Wohnzimmer und Abwesenheit eines vollen Windeleimers, es wird kunterbunt heute.

Nachdem ich neulich Nachmittag meine zauberhafte Zwergin in, der Temperatur angepasste Kleidung verfrachtet hatte (natürlich nicht, ohne dreimal zwischen Strumpfhose anziehen (!) und Mäusehände  in die dicke Winterjacke stopfen, die Windel zu wechseln, einige kennen das: erst Pipi, dann kleiner Pups, dann überirdisch-wo-kommt-das-denn-her-warum-jetzt Pups) und endlich auch selbst einigermaßen vorzeigbar bekleidet, das Haus Richtung wöchentlichem Drogerieeinkauf verließ, begrüßte ich, unweit die Straße runter, einen fröhlich seine Brezel zerdrückenden Nachbarssohn mit "Hallo Rabauke". 

Die Reaktion erfolgte augenblicklich. Ich wurde prompt von der dazugehörigen Mutter gescholten, dass dieses Vokabular im Umkreis ihres Lendensproßes nicht gedudelt werde, da das eine kriminelle, zerstörerische Seite in seinem Unterbewusstsein triggern würde. 
Ich solle doch bitte unterlassen, ihren Jungen auf die schiefe Bahn drängen zu wollen, wenn ich das mit meinem eigenen Kind so machen wolle, bitte, aber ihr Hubertus-Arne* wolle es bitte ungestört zu etwas bringen sollen. 
Hubertus-Arne* brachte auch. Die an diesem Tag sehenswerteste Spuckiblase, deren zerplatzter Sabberfaden sich formschön auf die malträtierte Brezel ergoss. Seinem Alter von ca. 3 Jahren definitiv angemessen. Bravo, Hubertus-A!

Mit hochkritischem Blick, festzumachen, an den bis zum Scheitel hochgezogenen Augenbrauen, schnappte sich die Hubertus-Mama ihren Goldjungen und zog mit wehenden Fahnen, eines in den Sonnenuntergang ziehenden Siegers der Zurechtweisung, von Dannen.

Da stand ich nun. Geknickt und zerbrochen an den Schuldgefühlen, die in einem wüsten Sturm über mich herein brachen. In mir flehte es: Bitte bitte H-Arne, bitte bitte pack dein Leben trotz meiner verwüstlichen Worte an dich! 

Es half ja nichts. Ich berappelte mich und schritt weiter meines Weges. 
Aber, das sollte es an diesem Tag ja noch nicht gewesen sein.

Wir halten uns, während der Dauer meines Einkaufes, in einem biologisch (BITTE) abbaubaren Stadtteil auf, in dem man vor lauter selbstgestrickter Wollmützen in sämtlichen grellen Neonfarben, die das Farbspektrum zulässt, kaum zwischen den deutlich markierten Fahrrad- und Fussgängerwegen unterscheiden kann. Wie sagte einst so schön eine mir entgegenkommende, etwas veträumt wirkendende Bewohnerin dieses Ausnahmeviertels: Fahrradfahren ist wie veganes Reiten...

Ebenso kann auch noch erwähnt werden, dass die hiesig ansässige Lebensform, um sich gegen die Kälte zu schützen, zweihundert selbst-bebatikte, von fair bezahlten Seidenraupen erworbene Tücher, statt einer, nach Kapitalismus stinkenden (dafür aber tatsächlich warmhaltenden) Winterjacke, um den, von wertvollen Chiasamen ausgezehrten Körper geschlungen hatte, die in Farbe und Geruch den Eigenschaften von Wiederkäu ähnelten. 

Erwähnte Drogerie Filiale befindet sich gegenüber eines einschlägig bekannten Biofachgeschäfts, das natürlich exakt auf die Bedürfnisse der oben erwähnten Daseinsform ausgelegt ist.

Wirft man einen Blick durch die, von der Essigreinigungsessenz vertropfte Scheibe, so erkennt man in grüne Schürzen mit aufgedruckter Ladenbezeichnung gezwungene Mitarbeiter, die mit einen Gesichtsausdruck, irgendwo zwischen lang gereiftem Zischfurz, der sich so bedächtig angefühlt hatte, nun aber die eigene Autorität vor dem gesamt anwesendem Kollegium bröckeln lässt, 
8 Promille Gehunsicherheit und Kleinkind, das einem grade von der Sofalehne jauchzend in die Weichteile gesprungen ist, die Stimmung an ihrem Arbeitsplatz demonstrieren. 

Das dort verweilende Publikum unterscheidet sich nur dadurch, dass es keine grünen Schürzen mit Landenbezeichnung trägt und seine Umgebung genau nach synthetischer Kleidung scannt, so dass man einen Vortrag, angefangen von der Sauberkeit der Gebirgsbäche in Kasachstan über die Gefahr der Handystrahlen zu "Wollen Sie das wirklich kaufen, Sie wissen, dass das pures Gift für ihr Kind ist?" halten kann.

Durch diese Szenerie muss ich, mit meiner Kapitalisten-Jacke und der aus synthetischem Fleece hergestellten Mütze der Zwergin, zweimal pro Woche durch, um Nachschub jener Drogeriewindeln zu hohlen, die laut der fair-bezahlten Seidenraupentuchfraktion, unser aller Untergang sein werden. 

Habe ich es durch den Hindernisparcour aus bösen Blicken und deutschen "tz tz"s in meine Richtung geschafft, stehe ich endlich vor meinem Zielort.

Innendrin dreht sich das Bild. 
Hier muss ich mich zwischen Müttern, die ihren Nachwuchs in Emmaljunga Kinderwägen der Trendfarbe Hornhaut-Umbra umherschieben und in ihren Monclairejacken vor dem Bioregal den Dicken machen, dass die ungesüßten, salzfreien Biodinkelkekse nicht an der selben Stelle, wie letzte Woche liegen, hindurchschlängeln, natürlich nicht, ohne mir von einer SUV fahrenden Shoppingqueen anhören zu dürfen, dass ich einen Schmierfleck auf meinem Pulli  habe und meine Tochter in ihrer dicken Winterjacke momentan ja nicht optimal belüftet wird. 
Warum dieses, offensichtlich der upper Class zugeordnete Exemplar meiner Zunft überhaupt in einem stinknormalen Drogeriemarkt einkaufen geht, bleibt ein Rätsel. 
Das muss etwas mit dieser Wohlstandsverwahrlosung zu tun haben. Dispo-Pogo, dingelingeling.

Wie auch immer.
Mit einem dichten Wimpernaufschlag, der Marke "Ich habe einfach mal einen Besen als Vorbild mit zum Kosmetikstudio genommen" beugt sich dann doch tatsächlich anwesendes Exemplar zu meiner Kleinen runter und zirpt:
"Du bist aber ein süßer Bub!"
"Es ist ein Mädchen."
"Aber es hat doch etwas Blaues an?!" 
(fast hätte ich ihr zur Verhinderung der Hyperventilation eine Tüte gereicht)
Ich, mit Blick auf ihren dunkelblauen Tommy Hilfiger Parka:
"Und Sie sind, Herr...?" 
Zack. Da war sie wieder. Meine zweite, hochgezogene Augenbraue, die mich an diesem Tag abstrafte. 
Diesesmal ging sie allerdings aufgrund der verbotoxten Stirn nicht hoch bis zum Scheitel.

Ich weiß auch nicht, liebe Leserschaft. Solche bezaubernden Gespräche braucht man, wie einen Saugroboter, der die Hundescheiße vom, getrieben durch ein Trendgefühl, angeschafften, Chihuahua, quer über den Wohnzimmerteppich verteilt!

Nach Erledigung meiner Besorgungen und erneutem Wiedersehen an der Kasse mit der Mutter, die wahrscheinlich nach dem Bezahlvorgang inklusive Einkäufe, Kind und SUV auf ihren tiefschwarzen Wimpern gen Heimat fliegen kann, war mein Nervenkostüm doch etwas in Mitleidenschaft gezogen und so war ich es, die die letzte hochgezogene Augenbraue an diesem Tag verteilte.
Und zwar an die, sich eben vor der Tür postierenden Woktrommler, deren musikalischer Leckerbissen sich in etwa wie ein kalbender Gletscher anhörte. 
Ich konnte aber einfach nicht anders. Ich meine, ich sehe in etwa gleich aus, wenn ich vor dem Herd checke, ob der Topf unten noch heiß ist!

In diesem Sinne: no hard feelings. peace and love. Je suis Wirsing ☮

Auf Bald,
Tata
Eure Gigantica






*Name geändert











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