Rotz & Yoga auf Instagram

Werte Leserschaft,

Als bekanntermaßen weltoffener und ausgeglichener Mensch muss ich jetzt mal eine Frage stellen:
Was zur Hölle ist denn grade mit meiner direkten Peergroup los?! Ich weiß ja, es wird Frühling und jeder möchte wieder ein bißchen frischen Wind in sein Leben bringen, aber...
Was soll denn dieses Yoga? 

Alle, aber wirklich alle Vorstadtmuttis rennen grade in Scharen in irgendwelche Yoga-Selbstfindungskurse. 
Zur Entspannung und inneren Ausgeglichenheit. 
In eine Einrichtung, die seit 1997 nicht mehr gelüftet worden zu sein scheint und in der ihnen ein haariger Knilch mit Klangschale und schmutzigen Füßen was über zurechtgelegte Spiritualität erzählt. Abseits dieses Etablissements mit in abblätterndern, goldfarbenen Om-Zeichen an den Wänden, würden den ausnahmslos alle yogapantstragende, augenbrauen-on-fleek stylende Muttis noch nicht mal auf ihrem Febreze besprühten Sofa Platz nehmen lassen. 
Und teuer ist so ein Kurs. Mr. Barfußlauf weiß wohl, wie er sich seine gebatikten Haremshosen finanzieren lassen kann.
What the hell. 
Haben die denn alle vergessen, wie man eine Flasche Wein aufmacht?

Ich meine, ich sehe nur noch in pastellfarbene Sportbhs eingepferchte Brüste, die an ihrer Besitzerin baumelnd irgendwelche zahnschmerzanmutenden Verenkungen auf einer augenkrebspinken Fitnessmatte im heimischen Wohnzimmer neben einem resignierten Gummibaum machen. Nebendran stehen Designerwasserflaschen und Powerarmbänder mit Heilsteinen liegen auf dem aufgebauschten Handtuch bereit. 
In 30 sekunden Instagramvideos versuchen alle Mittagschlafnutzenden Muttis auf der Matte dermaßen breit zu lächeln, was ungefähr so entspannt aussieht, wie ich beim Nippelpiercing Nachstechen. 
Und dank der Erfindung von Hashtags auf Socialmediaplattformen muss ich mich erstmal durch hunderte von #lovelivelaugh und #bepositive Rautenfelder durchackern, bis ich auf der emsigen Suche nach Erklärungen auf ein völlig personen-unpassendes Gandhizitat stoße. 

"Freude liegt im Kampf, im Wagnis, in der Leidensbereitschaft, nicht im Siegen" 
Ich bitte dich, Anita- du bist zwei Straßen weiter in einem beheizten Raum und stehst auf einem Bein. Es ist nicht so, dass du ohne Sauerstoffgerät auf den Mount Everest steigst.

Scrollt man dann in der Historie entsprechender Personen ein, zwei Jährchen zurück, sieht man diese noch Trichtersaufend im Minirock in irgendeiner düsteren Kneipe. Jetzt tischen genau diese Leute ihren Abkömmlingen gepufftes Quinoa mit Agavendicksaft auf, natürlich nicht, ohne die verdammte Schüssel medienwirksam aus fünf Blickwinkeln fotografisch für die Nachwelt festgehalten zu haben. #superbowl.

Wie soll ich denn da jemals stabile und ehrliche Mamifreundschaften finden, die daraus bestehen, dass man sich gegenseitig Wein nachschenkt und sein nachlassendes Bindegewebe beklagt?

Mutterfreunde finden ist mittlerweile echt so schwierig wie daten in den Dreißigern. Am Anfang echt interessant, dann psychopatisch und dann muss man sich überlegen, wie man aus der Nummer schnell wieder rauskommt, ohne größeren Schaden davon zu tragen. Ich meine, da triffst du auf dem Spielplatz jemanden, der mal nicht schon durch Dinkelreißwaffeln und "nein nicht Fridolin-Aladdin, die Rutsche ist zu steil" Rufe unangenehm auffällt, kommst ins Gespräch und dann stellt sich zum Beispiel raus, dass die ihre Kinder nicht impfen lässt. Was macht man denn dann? Mein Herz bricht jedesmal, wenn mich die Dummheit so unverblümt anspringt.

Momentan sind aber meine zarten Annäherungsversuche an Andere meiner Spezies sowieso unterbrochen. Die Zwergin ist krank. Schnupfen, Husten, Heiserkeit. 
Da ist zwischen dem Rotznäßchen abwischen und selbst Vitamine einwerfen nicht mehr viel Zeit für anderes. Alles wird von Taschentüchern regiert! Alles!
Die Nachbarn denken bestimmt, ich hätte ein Drüsenproblem, da ich zirka 800 vollgesiffte Rotzlumpen meiner Tochter in alle verfügbaren Hosentaschen gestopft habe und auf dem Weg zum Einkaufen so beulig aussehe, wie damals, als man noch versucht hat Bierdosen ins Kino zu schmuggeln. 

Schön sind da auch solche Erfahrungen, wie dass die Juniorine eine saftige Ladung auf den Esstisch niest und sogleich alles freudestrahlend mit den kleinen Patschhänden verteilt, dass auch ja sämtliche Familienmitglieder noch was davon haben. 

Ist der Nachwuchs kränkelnd, besteht immer ein bisschen Ausnahmesituation zuhause. So frischt natürlich auch mein überlastetes Mombrain wieder auf und schlägt mir allerlei Schnippchen im Alltag. 
Zum Beispiel zeigte ich neulich beim Busfahren meinen Notfalltampon, statt meines Fahrscheins. 
Natürlich fällt einem in selbiger Situation dann auch noch auf, dass man bloß ein getuschtes Auge und zudem den BH vergessen hat. 

Ich sag euch, Entspannung und innere Ausgeglichenheit könnte definitiv auch ich gebrauchen. 

Ich bin ja momentan sogar gestresst davon, dass sich der Schlafrhythmus des Kindes und die Ankunft des DHL Botens asynchronisiert haben. Jedesmal, wenn es punktgenau dann klingelt, wenn ich grade -ja nicht atmend oder Geräusche produzierend- auf Zehenspitzen das dunkle Kinderzimmer verlasse, kriege ich ein mittleschweres Aneurysma.
Die Panik steht mir dann wohl an der Haustür immer noch ins Gesicht geschrieben, zumindest hat mir neulich der DHL Mensch besorgt den Kopf getätschelt. Und nächste Woche sind wir zur Taufe seiner Tochter eingeladen. 

Für die Bereitwilligkeit, einen Yoga-Kurs zu besuchen, reicht es aber trotzdem noch nicht 😉

In diesem Sinne, 
#stayhealthy 
Eure Gigantica 





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