Draus vom Walde komm ich her, ich sag Euch, ich kann nicht mehr

Kling Glöckchen klingelingeling:

Die Gesundheit taumelt, fällt dahin
auf geschmückte Tannenzweige
Rotz trieft runter auf das Doppelkinn
Horch, in der Ferne eine Geige 
Heißa, es ist Weihnachtsbeginn

Damit ein herzliches Feliz Navidad an Euch alle,

Das ist es also, das fortschreitende Ende des Jahres 2019. 
Die Assi-TV Sendungen laufen aus, die Weihnachtsfeiern, auf denen man sich feucht-fröhlich daneben benehmen konnte sind ausgekatert und mit diesem Wochenende wird auch dem Letzten klar: Weihnachten steht tatsächlich vor der Tür. 
Die Sonne lacht, auf nach Draußen, noch ein letztes Mal bei 15 Grad Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt trinken, bevor der tannenzweigebehaftete Spuk auch schon wieder vorbei ist.
Nicht so bei uns. 
Das Kind hat aus dem Kindergarten noch kurz vor knapp eine Streptokokken Infektion mitgebracht. Hurra. 

Ich bin also hin und hergerissen zwischen Geschenkeeinpacken, Plätzchenbacken, Kartenschreiben, alle Einkäufe fertig zu stellen, Vorstellungsgesprächen, Arztbesuchen, die Familien auf die einzelnen Feiertage planen und nebenher das Haus weihnachtlich herzurichten, zu putzen und dem kranken, kuschelbedürftigem Kind Weihnachtslieder vorzusingen. Ob das allerdings die Halschmerzen verbessert oder verschlimmert, sei mal dahingestellt.
Und ich bin müde.
Mein armes Mombrain ist dermaßen überlastet, dass ich neulich im dM 20 Minuten eine Mitarbeiterin verfolgt habe, nur um sie zu fragen, woran ich denn jetzt erkenne, welche der angebotenen Kontaklinsen für rechts und welche für links sind.
Auf dem Heimweg habe ich dann zudem noch zehn Minuten vor einem Aufzug verbracht, da ich auf den Lichtschalter neben dem Aufzugknopf gedrückt habe und mich wie Rumpelstilzchen aufgeführt habe, da das blöde Ding einfach nicht kommen wollte.
Ihr merkt; ich bin nicht auf der Höhe in dieser Vorweihnachtszeit

Dabei ist hier in der Vorstadt alles so hart besinnlich wie möglich. Ein riesiger Tannenbaum leuchtet zusammen mit Lichtervorhängen im örtlichen Dorfforum, ein verträumtes Poster von Justin Bieber aus dem Jahre 2012 blinkt mit blauem Stroboskop-Licht aus dem Schaufenster des Dorffriseurs um die Wette und sorgt zusammen mit den weihnachtlich dekorierten Wichteln auf den drei Stufen zum Geschäft für Diskussionen unter den älteren Dorfbewohnern. 
Im örtlichen Supermarkt tratschen Anette und Brigitte zwischen den gierig in den Einkaufswagen geladenen Eierlikörflaschen und rosinenverseuchtem Knusperstollen über die unsittliche Weihnachtsbeleuchtung von Nachbarin Nadine, während der entnervte Mitarbeiter hintendran mit Auffüllware feststeckt und gleichzeit Oma Gertrude abwehren muss, die ihn mit Fragen über die feilgebotenen Nussmischungen löchert. 
Nochmal hintedran stehe ich, die einfach bloß einen Liter Saft für das kranke Kind besorgen wollte. In diesem Moment beschließe ich, nie wieder das Haus zu verlassen. 

Aber ich will mich ja nicht aufregen. Der Großteil der Erledigungen ist auch schon unter Dach und Fach gebracht und laut meinem frisch komplettierten Teeregal bin ich bereits eine energiegeladene, entwässerte, ausgeglichene und menstruationsbefreite Frau am Kamin. Und es schneit, während ich Zimtäpfel pflücke. 

Trotzdem bin ich froh, dass der Mann nun auch Urlaub hat und ich zumindest ein bißchen Freizeit habe.
Eine kleine Oase der Erholung, wenn ich in Ruhe und Frieden zu den sanften Klängen der vollbeladenen Waschmaschine im Schleudergang auf dem Pott (bei abgeschlossener Badezimmertür) throne und anhand eines Online-Quiz herausfinde, welche Brotsorte am besten meiner Persönlichkeit entspricht.

Nichtsdestotrotz freue ich mich auf die Weihnachtstage und das Baumschmücken. Nicht zuletzt, wegen den leuchtenden Augen der Zweijährigen, die zurzeit bei jedem sichtbaren Tannenbaum völlig ausflippt und freudig kreischt: "Mama, guckei! Guckei: Tanpo. Riiieeesen Tanpo!" 
Ich freue mich auch sehr darüber, aufgrund der Nähe von "Tanpo" zu "Tampon" (vor allem, wenn es von einem begeisterten Kleinkind gebrüllt wird) den großäugigen Vorstadtmuttis eine neue Gesprächsgrundlage über meinen Erziehungsstil geboten zu haben. 
Man tut, was man kann. Und vor allem in der Weihnachtszeit sollte man ja auch an seine Mitmenschen denken.

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen ein frohes Weihnachtsfest, lasst Euch nicht von Solveighs stressen und denkt dran: es wird auch nach den Feiertagen noch alle Geschäfte und Produkte geben und ein kleines Lächeln an die Kassiererin hat noch keinem geschadet. 

Ho, Ho, Ho
Eure Gigantica 💕

PS: Ich bin übrigens ein Urkornbrot. Herzlichen Glückwunsch. 




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