Dr. Zoidberg & das Coronavirus in Zeiten der Laufsaison

Und da liege ich wieder- im Bett, mit einer doppellagigen Schicht Taschentücher, die ich mir als kleine, zylinderförmigen Kegel in die Nase gestopft habe, um zumindest mal für ein paar Minuten den fortlaufenden Nasensiff aufzufangen. Ich sehe aus, wie Dr. Zoidberg zu seinen besten Zeiten.
Als ich letzte Woche die Zweijährige aus dem Kindergarten abholte, begrüßte mich das freudig auf mich zurennende Kind mit einem Strombergbart aus getrockneter Rotze und da war mir fast schon klar, was mich dann ein paar Tage später erwarten würde. 

Aber erstmal Hallo Ihr alle, Hallo Erkältung und Hallo Zwangslaufpause

Es nervt. Ich bin schon wieder krank. Und zwar nicht, mimimi ich hab zweimal genießt und kalte Füße, nein- die volle Geschichte mit allen typischen, fiesen Infekt Anzeichen. 
Kein Wunder in diesen Zeiten. Eigentlich.
Aber bevor ihr mir jetzt eine Covid-19 Infektion unterstellt und mir kiloweise Nudeln und Erbsen-mit-Möhrchen-Konserven vor die Tür werft, lest bitte weiter:
Ich werde in jüngster Vergangenheit ja nicht nur von den Keimen des Kindergartens, den meine Tochter besucht, bombardiert, nein- zu der Schießerrei auf mein Immunsystem reiht sich noch meine neue Arbeitsstelle in einer Kindertagesstätte und das Pendlerleben ein. Da kann man schon mal mit einem ordentlichen Rotz ans Bett gefesselt werden. 
Und Leute, ich sag Euch: Das tägliche Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel empfinde ich als weitaus keimegefährlicher, als Alles aus zwei unterschiedlichen Kitas.
Wer täglich mit Bus und Bahn fährt, sieht Dinge, die einen fast in eine Wasch- und Desinfektions-Zwangsneurose prügeln. 
So wie zum Beispiel der nette junge Mann, der erst hustete und seine emporgeholte, schleimige Beute auf den Busboden spuckte, nur um dann den Halteknopf an der gegenüberliegenden Tür abzulecken. 
Oder die Dame, die sich ausgiebig in Nase und Mund herumpulte und erfolgreich Gefundenes auf den Vierersitz vornedran schnippte, während sie mit der anderen Hand gedankenverloren etwas Ohrschmalz von einer vorangegangenen Bohrung im Hörorgan auf ihrem Handy verstrich.

Nach diesem visuell wirklich schwer zu ertragenden Nachhauseweg, schleppte ich dann noch meine sich sträubende Lendenfrucht aus dem Kindergarten, bestach mit der Aussicht auf Eis ("hm, lecker!") und als ich sie dann endlich mitsamt Schuhen ("neiiin"), Jacke ("will nicht!"), Schal ("ahhhh"), Mütze ("mag ich nicht!") und Kuscheltier ("wäh") in den Kinderwagen ("will ich nicht") bugsiert hatte, war ich ein schweißgebadetes, zitterndes Abbild meiner selbst, ohne Farbe mehr im Gesicht. Das anschließende Eisessen auf dem Dorfplatz überstand ich nur, da ich mich eh schon mit der übermannenden Erkältung und dem rhythmischen Schüttelfrost, der die Eiswaffel in meiner Hand so schön tanzen ließ, abgefunden hatte. 

Seit vier Tagen liege ich nun flach, huste und schnaube vor mich hin und bin am meisten genervt davon, dass ich nicht laufen gehen kann. Tatsächlich ist mir der Laufsport das letzte Jahr über sehr ans Herz gewachsen und auch die ersten Wettkämpfe stehen an, deswegen freue ich mich eigentlich auf jede Minute, die ich in den Laufschuhen verbringen kann. 
Noch vor zwei Jahren bestand mein komplettes Sportprogramm darin, bei dem Versuch eine PumaSports Unterbumbel anzuziehen, nicht umzufallen. Nun habe ich also etwas gefunden, was mir aus sportlicher Sicht Spaß macht und die dicke Kiste dazu bringt, eine etwas wohlgeformtere Kiste zu werden. Ergo beschäftige ich mich viel mit Laufen und habe ich mich also auch auf diversen sozialen Medienportalen verschiedenen Gruppen mit entsprechender Thematik angeschlossen. Was soll ich sagen...

Eigentlich sollte ich es aus meiner Vorerfahrung aus Mütter-Foren schon wissen; solche Gruppendynamiken sind pures Gift für die eigene (sportliche) Entwicklung. Was Zucker und Gluten für Dinkelkeksmütter sind, ist in den Läufergruppen die "Pace" (durchschnittliche Geschwindigkeit eines Laufes) und der Ausdruck "Joggen". Wenn du "joggst" bist du unreal, du bist der Untermensch, der nichtmal weiß, wie man vernünftig seine neuen >Markenname XR< Schuhe schnürt, du bist ein Stück Ballast in der Gruppe des erhabenen Läufers, der es nichtmal wert ist, die Schüssel mit den Sicherheitsnadel für die Startnummern vor einem Lauf aufzustellen. Kurzum: wenn du mal ordentlich Langeweile hast, dann frag doch in einer Läufercommunity nach den besten Joggingschuhen. Ich verspreche, Du wirst nicht enttäuscht werden. Aber vielleicht aus der Gruppe gelöscht...
Des weiteren ist es ein (Un-)Ding unter diesen sozialen-Medien Läufern, sich immerzu mit seiner "Pace" zu vergleichen und egal, wie schnell man gelaufen ist und sich wahrscheinlich hinterher sämtliche Innereien aus dem Leib gekotzt hat, nur, dass eine bestimmte Zahl auf der schweineteuren Smartwatch/Trainingsuhr zum medienwirksamen Hochladen steht; es gehört zu so einem Läufer-Post immer ein "Boahr, also heut war nicht meine beste Zeit, was bin ich für eine Laufschnecke- hihihi!" dazu. Da ist es bums, ob der- oder diejenige grade in Usain Bolt Zeit eine Halbmarathonstrecke gelaufen ist, oder aber grade seine persönliche Bestzeit auf 5km übertroffen hat- es gilt, sich selbst fertig zu machen. Machste dich nicht selber fertig wegen deiner "Pace" ist das auch kein Problem, denn dann kommt ganz bestimmt ein autodidaktischer Physiotherapeut hinzu und/oder eine Alman-Sabine mit "Kampfschnecken"-T-Shirt-Profilbild und erledigt das für dich. Du meine Güte.

Richtig übel wird es aber, wenn man sich in das Themengebiet der laufgerechten Ernährung einarbeiten will. Da gibt es nämlich auch eine direkte Überschneidung zu den Foodbloggern, die dir dann, während sie selbst in Thailand mit "live, laugh, love"- Fusskettchen unter Palmen sitzen eine herkömmliche Schüssel Reis mit Gemüse als "Superbowl", die deinen nächsten lauf um dreihundert Faszilliarden km/h verbessern werden, verkaufen wollen. Spare mit Code "FICKDICHINSKNIE23" 1,5 Cent auf deinen nächsten Reiseinkauf bei Lidl. Danke. Und das vom Typ Mensch, der den Filialleiter sprechen will, wenn bei Aldi die Funktionsjacken ausverkauft sind. 

Anders sind da die bodenständigen Freizeitläufer, die jugendlichen Jürgens und aparten Anitas, die dir mit "echten" Rezepten weiterhelfen wollen. Bei dieser Art von hilfsbereiten Mitbürgern ist die Mahlzeitzubereitung selbstverständlich "super easy" und die Zutaten wirst du ganz bestimmt auch immer alle zuhause haben. Versprochen!
Voller Vorfreude öffne ich also den Link zum Rezept und in grellen Buchstaben bespringt mich der Slogan: "Kein Scherz! Du benötigst dafür nur drei Zutaten" 
Die Zutaten: Der erste Tropfen Muttermilch von einer bei Dreiviertelmond trächtig gewordenen Einhornstute, zwei Teelöffel Gift des satyrischen Rochens von Gibraltar und das Sackhaar Jesu. Gelingt immer und schmeckt suuuuper fluffig! Und das Beste: 0 Kalorienaufnahme bei maximalem Kalorienverbrauch. Wahrscheinlich während des Versuchs, auf den scheiß Grund des Meeres zu dem blöden Rochen zu tauchen. 

In diesem Sinne,
Ich hoffe doch sehr, dass Ihr alle mich anders wahrnehmt als meine versehentlich geöffnete Frontkamera,
Tata 💕 
Eure Gigantica


 

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