Die Hochzeitseinladung
Da kam sie. Die Hochzeitseinladung von den Freunden. Oh was haben wir uns gefreut. Erst natürlich für das zukünftige Hochzeitspaar, dann auch für uns- endlich mal wieder ein Fest, nach all der entbehrlichen Lockdown an Lockdown Zeit.
Hochzeitsfest. Das roch nach Gesprächen mit Erwachsenen, mal wieder Make-Up tragen, einem schönen Outfit und ein bisschen Besonderheit im grade so stressigen „Newborn/Kleinkind-wir sind jetzt Vier“ -Alltag.
Tag X wurde also in den Kalender eingetragen und dann… erstmal wieder vergessen.
Dann kam eine erneute Erinnerung und die Frage nach unseren Essensvorlieben und zack, da standen wir also, mit Baby, das grade in sowas wie einen Tag/Nacht Rhythmus reingefunden hatte, einem wutanfälligen, kleinen Mädchen und derzeit eh überreizten, elterlichen Nerven.
Wie zur Hölle, sollten wir einen Tag lang mit den Bedürfnissen der beiden Kindern unter anderen Menschen überleben, ohne dass unser Familiengefüge einmal komplett auf links gezogen wurde und wir im Nachgang wieder tagelang brauchen würden, um den eigentlichen Rhythmus herzustellen?!
Egal, das wird schon, sagte ich mir und dachte an das schöne, dunkelblaue Blumenkleid auf meiner Shopping App Wunschliste.
Ich versuchte mir also ein positives Mindset einzureden. Habe mir sagen lassen, wenn man positiv an Dinge heran geht, werden sie auch gut. Naja.
Dann kam Tag X.
Wir haben die Dreijährige mit allen Mitteln der erziehungsberechtigten Ankündigungskunst auf diesen Tag vorbereitet, mit ihr immer wieder besprochen, wie & was & warum und ihr auf Fotos von der Internetseite der Hochzeitslocation gezeigt, wo sie denn mit uns den Tag verbringen wird.
Mit ihrem schönen, blau-gestreiften Kleid mit dem Tüllunterlegten Rock haben wir geworben, mit leckeren Dessert und dem Versprechen, wenn es ihr alles zu viel wird, raus in den umliegenden Wald auf Tierspurensuche zu gehen.
Das Baby plante ich in der Trage rumzuschunkeln. Und den Kinderwagen als Pack- und kurzzeitige Ablegestation mit zu nehmen. Auch, damit es mit all dem Kinder- und Babykram nicht direkt so aussah, als ob wir planten, zwei Jahre an Ort und Stelle zu bleiben. Der/die geübte Leser*in kann sich sicherlich vorstellen, welches Ausmaß die von mir gepackte Wickeltasche für diesen Anlass hatte…
Am Tag des Festes stellte ein sehr bockiges junges Mädchen fest: ich habe keine Lust. Ich geh nicht mit. Ich mache alles kaputt.
Auch das Baby hat pünktlich zu diesem Tag wieder mit dem Clustern begonnen. Alle zehn Minuten wollte sie dreißig Minuten trinken.
Ich sah mich dem Brautpaar also allerhöchstens „Hallo“ & „Tschüss“ sagen und den Rest der Zeit mit dem gierigen Baby am Busen der nörgelnden Dreijährigen im Wald hinterherstapfen.
Und das alles in meinen neuen Schuhen, die zwar schön waren, aber auch verdammt drückten und so gar nicht für Erkundungstouren im Wald ausgelegt waren.
Es kam dann grob zusammen gefasst so:
Ein wilder Mix aus innerlicher, elterlicher Anspannung, eine Dreijährige die statt des Wortes Hochzeit „Fasching“ verwendete und sich erstmal theatralisch mit dem lautstarken Satz: „ich hasse die Leute auf dem Fasching hier“ in den Sandkasten stürzte, dem Mann, der direkt beim Ankommen in einen saftigen Hundehaufen trat, einem clusternden Baby, mit dem ich stillenderweise genau dann hinter der Glasfront am Tisch saß, vor der die Hochzeitstorte serviert wurde und ich nun wahrscheinlich das Brautpaar auf ewig mit einer busigen Fotobomb auf ihren Anschneide-Fotos beglückt habe.
Zwischen den einzelnen Essensgängen wurden wir von der Dreijährigen, die, nach einem Blick auf einen alten, zum Spielen aufgestellten Traktor nun doch nicht alles so sehr hasste, draußen herumgescheucht und gleichzeitig versuchte ich das Baby in der Trage durch gleichmäßiges Wippen zu besänftigen, während ich mir die Füße in den besagten schicken, aber wirklich drückenden Schuhen wund hüpfte.
Natürlich musste ich auch erneut den Busen auspacken, ich hatte meine Lektion aber gelernt und tat das draußen, weit entfernt vom Geschehen auf einer entlegenen Sitzgruppe und einem, gegen die aufziehende Abendkühle, in der Decke eingewickeltem Baby.
Zwischendurch würzten dringende, grade nach Anziehen der Matschhose verkündete Pipi-Pausen, aus freudigen Kinderhänden losgelassene Heliumballons und allgemeine „was wäre wenn, das und das“ Szenarien in unseren Köpfen den elterlichen Stresspegel.
Die Hochzeit an sich war ein schönes, familienorientiertes Fest mit entspannten, ganz wunderbaren Gastgebern und einer großartigen Essensauswahl, im Rahmen deren Verköstigung ich auch nur ganz wenig Vorspeisensuppe auf den in der Trage ruhenden Babykopf getropft habe. Sorry, Baby.
Danke für diesen Tag. Meine Nerven brauchen jetzt erstmal Flitterwochen!
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