Die Pferdeschwanzzeit
In meinem Badmülleimer befinden sich noch keine Tampons, dafür aber eine leere Packung Schokolade, die ich tief nachts, als mal endlich alles ruhig und friedlich war, auf dem Klodeckel sitzend gierig verschlungen habe.
Währenddessen habe ich die jüngste amerikanische Wunderleggings ergoogled, um rauszufinden, ob es sich lohnt den zwei wabernden Backen an meinem Rücken mal zu einem bisschen äußerlichen Push zu verhelfen.
Oben rein, unten hoch oder so.
Als ich mir dann mit müdem Blick, der mir aus dem Badezimmerspiegel entgegen blitzte und Schokoladenreste aus dem Mundwinkel wischte, sah ich ein, dass ich im Moment wichtigere Dinge als die optische Elastizität meinen Allerwertesten zu bewältigen hatte.
Die Haare trage ich stets im Pferdeschwanz, meine Hände sind vom vielen Waschen, Spülen und irgendwas Putzen aufgesprungen und rau. Ich esse meistens im Stehen, schnell und hastig, damit ich was im Bauch und mein Körper was zum Verwerten für meine Laune hat.
Meine Unterbumbeln sind schlabbrig-praktisch, meine Shirts meist milch- oder sabberbefleckt und ich habe es noch nicht übers Herz gebracht, wieder richtige Hosen anzuziehen.
Mein Mascara ist eingetrocknet, zwanzig wohltuende Gesichtsmasken warten stoisch auf ihren Einsatz im Badezimmerschrank. Ich trage meist das selbe Paar Ohrringe und bin stolz auf mich, wenn ich mir morgens ein bisschen Rouge auf die fahlen Wangen geschmiert kriege.
Ich dusche in Klappmesserhaltung in der Badewanne ohne Duschvorhang, vornedran chillt das Baby in der Wippe und um sie daran zu erinnern, dass sie nicht alleine ist, singe ich ziemlich laut „Was müssen das für Bäume sein?“.
Es muss ein Bild für die Götter sein, wie ich, wie ein splitternackter, begoßener Pudel mit dem dünnen Rinnsalstrahl der Duschbrause, lauthals Kinderlieder grölend, versuche, möglichst schnell den Akt des Waschens hinter mich zu bringen.
Nur schnell wieder einsatzbereit sein.
Es ist die Zeit, in der Gespräche mit Freund*innen viel zu kurz kommen. In der ich selbst viel zu viel im Kopf habe, als dem Mann beim Abendessen mit Muße zu Zuhören, wenn nebenher auch noch die Dreijährige singt und das Baby auf meinem Arm geschunkelt werden will. In der meine Nerven und meine Geduld mich jeden Tag ein bisschen mehr überraschen, wieviel ich eigentlich gleichzeitig bewerkstelligen kann.
Überstehen ist das Motto. Das wird auch wieder anders.
Aber jetzt muss ich durch die Phase, in der alle anderen Bedürfnisse vor meinen eigenen kommen, erstmal durch. Hoffentlich ohne größere Katastrophen wie einem Pony oder einem Kurzhaarschnitt in Rot, weil ich den ewigen Mama-Pferdeschwanz nicht mehr sehen kann.
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