Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen



Heute war wieder so ein Tag, der mit Schuldgefühlen anfing.
 

Und zwar just in dem Moment, als der Mann die Schlafzimmertür aufmachte, das Licht einschaltete und erklärte, dass er und die Große nun bald zum Kindergarten aufbrechen. 

Werde ich so geweckt, weiß ich, dass ich den Start in den Tag verpennt habe. 


Das Baby neben mir hat freudig gegluckst und gebrabbelt und mir ihren Beißring ins Auge gerammt.  

Ich hingegen war nicht mal fähig meinen Kopf von jenem kleinen Kissen zu heben, dass ich mir beim Stillen immer zwischen Rücken und Kopfteil vom Bett klemme und auf dem jetzt mein noch ziemlich vernebelter Kopf lag. 


Wie immer, wenn ich darauf einschlafe, verlege ich mich dermaßen und, weil ich über dreißig bin, büße ich diesen immer wieder begangenen Fehler mit einem beleidigten Körper. 


Warum ich darauf schlafe, obwohl ich ein Kopfkissen habe? 

Das Baby hatte mal wieder viel Hunger über Nacht. 

Als sie sich um vier Uhr früh zum dritten Mal gemeldet hat und wir mit dem Stillen ab fünf Uhr durch waren, habe ich gedacht, komm- jetzt sind’s noch anderthalb Stunden bis zum eigentlichen Aufstehen, zu früh, um nun schon loszulegen, da kannst du noch ein wenig dämmern. 

Und um mich selber „nur zum dämmern“ zu ermahnen, gab’s eben wieder mal nur das InsRückenstopfkissen und nun verspannte Schultern gratis obendrauf. 

Lernfähig bin ich ja wie ein Stück Holz. 


Mit dem Gefühl einer vom Traktor überfahrenen Ente ging’s also los und ich lag ziemlich flugunfähig da und hab mich furchtbar erschrocken. 


Darüber, dass ich mal wieder nicht zur gewohnten Zeit wach war und mich um die Kinder gekümmert habe. 

Dass ich noch nicht die Gedanken zu den nötigen Erledigungen zum Tag geordnet und an die einzelnen Familienmitglieder weiter gegeben habe. 

Darüber, dass es nun schon so verdammt spät ist und sich nun der komplette Rhythmus vom Baby und dadurch auch meine Vorhaben verschieben. 

Dass schon wieder das ganze Morgenprogramm ausschließlich am Mann hängen geblieben ist. 

Und das züngelnde Flämmchen des schlechten Gewissens, hier noch erschlagen von der Nacht dazuliegen und noch nicht mal dem großen Kind guten Morgen gewünscht zu haben, loderte ebenfalls in mir hoch. 


In den ersten fünf Minuten meines Wachwerdens überrannten mich also die Schuldgefühle gegenüber meiner Familie und der Wut auf mich selber, es schon wieder nicht geschafft zu haben, zu unseren normalen Zeiten aufzustehen. 


Als das große Kind, das selbstverständlich auch ohne meine körperliche Anwesenheit einen vergnüglichen Morgen hatte und der Mann durch die Tür waren und ich das Baby auf dem Wickeltisch für den Tag bereit machte, überlegte ich, ob es mich wirklich zur schlechten Mutter macht, es nach einer heftigen Nacht mit dem Baby so oft nicht zu schaffen, rechtzeitig zu den Zeiten vom großen Kind aufzustehen. 


Das berühmte: !andere [Mütter] schaffen es doch auch! überfiel mich in heißen Strömen und mit vorwurfsvollen Stichen in die vermeintliche Mamaehre. 


Bei uns läuft es seit Geburt ihrer Schwester so, dass die Große morgens vom Papa fertig gemacht und in den Kindergarten gebracht wird. 

Also Luxus für mich, denn ich hab so die Möglichkeit das Baby in Ruhe zu stillen, wickeln und anzuziehen. Und mit der Großen zu kuscheln, wenn die nochmal im Schlafzimmer vorbei schaut; ganz ohne dafür verantwortlich zu sein, sie mit den üblichen Hygienemaßnahmen aus Haare kämmen und Zähneputzen zu foltern. 


Und es ist ja nicht so, dass so ein Morgenprogramm mit Baby Nichts ist. Vor allem, wenn man immer noch Schmerzen beim Stillen hat und das Baby nun auch noch die ersten Zähne 😬


Trotzdem nistet sich immer wieder das schlechte Gewissen ein, nicht in viel gelobter Mama-Superheldinnen Manier morgens ab sechs hier den Laden zu schmeißen, egal, wie die Nacht war. 

Einfach schicksalsergeben die wackligen Stelzen aus dem Bett zu schwingen und mir von den Augenringen helfen lassen, das Brot für die Vesperdose zu schmieren, während ich auf dem Arm das Baby trage und mit dem anderen das liegengebliebene Geschirr vom Vortag in die Spülmaschine räume.


Andere schaffen das doch auch! 


Heute Morgen, nach mal wieder intensiver Auseinandersetzung mit diesen Schuldgedanken, fiel mir aber mal auf, wie sehr dieser Vergleich nur in mir drin lebt, da ich gar keine realen Beispiele von anderen Mamas habe, wie das so bei denen läuft. 


Das Bild von der übernächtigten Mama, die morgens trotzdem aufopferungsvoll alle Latten an den Zaun genagelt bekommt und die Familienangelegenheiten rockt, existiert nur in meiner eigenen Vorstellung so „perfekt“. 


Natürlich mag es sein, dass Millionen von (mehrkind) Müttern ein hartes Morgenprogramm haben, völlig egal, wie die Nacht mit Stillbaby war. Ganz bestimmt sogar. Und natürlich gibt es Millionen von Mamas, die schlicht und ergreifend keine andere Möglichkeit haben, als morgens Alleinverantwortlich die Kinder so zu managen, dass alle angezogen und bei Verstand das Haus verlassen können. 


Das ist aber nicht mein Zirkus, nicht meine Affen, die ich managen muss; soll heißen: meine Lebenssituationen ist so wie sie ist und es bringt mir nichts, mich mit anderen Mamas zu vergleichen. Und schon dreimal nicht, mit der Vorstellung in meinem Kopf, wie toll wohl andere, müde Mütter den Morgen durchgepaukt bekommen. 


Und je mehr ich hier sitze und aufschreiben will, was für ein Luxus es ist, dass der Mann sich morgens um unser Kindergartenkind kümmert, wird mir bewusst, dass das die Normalität sein sollte. 

Aufgeteilte Elternschaft. 

Beide sind verantwortlich, dass der Laden läuft. 

Egal, ob morgens oder abends. 


Kein Programm innerhalb der Familienzeiten soll und muss an nur einer Person hängenbleiben. 

Es sind schließlich unsere gemeinsamen Kinder. 

Mal macht der eine ein bisschen mehr, mal der andere. 

Genau gleich kriegt man es ja doch selten aufgeteilt. 


Und in diesen Zeiten, in denen das Baby nachts den großen Hunger auspackt, rockt der Mann den Morgen mit der Großen eben alleine. Während ich, leise sabbernd, meine fünf Gehirnzellen erstmal zum Trommeln kriegen muss und froh bin, die Zahnbürste ins richtige Loch zu bekommen. 


Bis abends hab ich es dann aber meistens geschafft, das ganze Orchester in Gang zu bekommen. Ab und an gibt’s noch einen großen Paukenschlag, auch das gehört dazu. Vor allem, wenn beide Elternteile grade nervlich echt überlastet sind. Nachts mache ich ja dann wieder ein bisschen mehr. 


Aber diese Ausschweifung würde hier nun die Vorstellung sprengen 🎪  

Für heute verabschiede ich mich, jonglierend mit den oben erwähnten fünf Gehirnzellen und ein paar Schuldgefühlen weniger, ins Bett. 

Gute Nacht! 


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