Kisten packen mit Omikron
zwei kleine Kinder, zwei Erwachsene, die mit den Nerven am Ende sind.
Seit Wochen geht es Schlag auf Schlag:
Tausend Termine rund ums Haus, den Handwerkern muss auf- und zugeschlossenen werden, irgendwas funktioniert nicht, nochmal zum Haus fahren,
„nebenbei“ Arbeit, der Alltag will auch gelebt werden, ein zahnendes Baby, das nachts nur auf mir drauf oder in direkter Körpernähe oder auch mal gar nicht schläft, das große Kind kommt viel zu kurz, schlechtes Gewissen, aber doch keine Zeit darüber nachzudenken, anhaltender Zustand des Machens, Gebraucht- und keiner der unzähligen Rollen grade gerecht werdens. Schlafmangel.
Der Austausch zwischen dem Mann und mir findet größtenteils abends hastig über WhatsAppnachrichten statt, da einer von uns immer je bei einem Kind ist.
Die spüren den Stress natürlich und reagieren mit einem erweiterten Nähebedürfnis. Vor allem nachts.
Sowieso bleibt wenig Energie und eigentlich keine Zeit für gar nichts, wenn man sich vernünftig um die Kleinsten kümmern möchte; das Packen stagniert, der Druck steigt.
Und wenn dann doch mal etwas Platz fürs Packen auf der To Do Liste ist, ist das Baby müde und muss einschlafbegleitet werden oder das große Kind meldet Hunger an.
Die Beziehung zum Mann ist angeknackst, es gibt ziemlich viel Streit. Jeder fühlt sich so, als ob er sich zuviel alleine um alles kümmert.
Wie beschissen kann es bitte noch werden?
Omikron: Hallo 🙋♀️
Meine Periode: Hallo 🙋♀️
Das abgestellte Internet: Hallo 🙋♀️
Der verstopfte Milchkanal in meiner Brust (Schmerzen): Hallo 🙋♀️
So starten wir also in die so lange geplante Umzugswoche mit meinem positiven Selbsttest, dazu einem sichtlich kranken Baby und können es nicht glauben, was wir da sehen.
Die zwei dicken roten Linien auf der Testkasette hauen uns Omikrons Hässlichkeit mit voller Wucht um die Ohren.
Das war’s mit unserem Umzugstermin am Freitag.
Natürlich hat unsere Kinderärztin und auch meine Hausärztin genau diese Woche geschlossen. Fastnachtsferien.
Das Baby wird also vom Mann zu einem Vertretungsarzt gebracht und bekommt einen PCR Abstrich. Das positive Ergebnis bekommen wir einen Tag später am Dienstag.
Das große Kind wird präventiv nicht in den Kindergarten geschickt. Was das in so einer eh schon angespannten Situation bedeutet, können alle Corona erprobten Eltern nachvollziehen.
So begebe ich mich also mit milden Symptomen und dem Baby in häusliche Isolation in unser Schlafzimmer.
Meine große Tochter und der Mann haben beide negative Tests und müssen nun die Stellung an der Terminfront alleine halten.
Donnerstag sollte unser letzter Tag hier sein, und da ja ab diesem Zeitpunkt im neuen Haus Internet freigeschaltet werden sollte, verabschiedet sich um Punkt 0 Uhr das WLAN.
Dank dem Funkloch Vorstadt sitzen wir hier also ab sofort mit Edge in einem halb verpackten Zuhause.
In meinem Eck in der Schlafzimmerisolation bekomme ich noch nichtmal WhatsApp Nachrichten.
Ich sitze nun mit krankem Baby den ganzen Tag im Schlafzimmer und kann noch nicht mal Kontakt zu Familie und Freunden halten.
Oder mich ab und zu mit den Möglichkeiten des Internets ablenken.
Oder der Hebamme eine eMail schreiben und um schmerzlindernde Tipps wegen des verstopften Milchkanals bitten.
Morgen wäre der Umzug gewesen, denke ich mit einem Kloß im Hals, während hinter mir das Baby unter ihrem Spielebogen wütet.
Sie ist völlig unausgelastet.
Wie sollte es auch anders sein?
24/7 in diesem einen Raum macht auch einem Baby keinen Spaß.
Blöderweise geht’s mir seit heute auch gar nicht mehr so gut.
Ich bin super schnell erschöpft und ringe um Luft, wie ein Taucher mit Wasser im Schnorchel.
Schaffe es maximal eine Kiste am Stück zu packen und brauche dann eine Pause.
Das geht aber nicht, da ja da ein Baby ist, dass ebenfalls krank und unausgeglichen ist und Nähe und eigentlich noch so viel mehr braucht.
Nach zwei weiteren Kisten, begleitet von Babygenörgel, bekomme ich Kreislaufprobleme und bin so fertig, dass mir schwarz vor Augen wird und ich mich hinlegen muss.
Die Große macht sich Sorgen um mich, es ist schwer zu ertragen, diese Unsicherheit in ihren Augen zu sehen und ihr zu zurufen, dass sie nicht zu mir kommen darf.
Sie bringt mir ihren Kuscheltieraffen bis vor die Tür, der soll auf mich aufpassen.
Ich liege mit hochgelagerten Beinen im Bett und könnte nur heulen.
Um mich herum tobt das Chaos.
Der Mann tut, was er kann.
Das Baby weint, will auf den Arm, doch nicht, aber auch nicht liegen, alles kacke, Mama!
Es ist- gelinde gesagt- ganz schön zum kotzen grade.
Mich frisst die Sorge um die Gesundheit vom Baby und natürlich auch um die der restlichen Familie auf.
Die Sorge, nicht rechtzeitig fertig zu werden, bis die Umzugsfirma, nun verlegt auf den kommenden Dienstag, kommt.
Die alte Wohnung muss ja dann die nachfolgenden Tage auch noch geputzt und endgültig leer geräumt werden. Es muss ausgepackt und eingeräumt werden.
Es bleibt also erstmal stressig.
Ich habe mein großes Kind seit einer knappen Woche nicht in den Arm genommen.
Das ist das Schlimmste.
Und die tausend schweren Gedanken. Es ist doch eh schon alles so viel.
Wie kommt die Große mit der Situation zurecht?
Kriegt unsere, durch die neue Geschwistersituation eh schon veränderte Beziehung nun durch diese Isolation, in der ich mich gar nicht mehr um sie, dafür nur ums Baby kümmere einen Knacks?
Mein Hirn wird geflutet von Gedanken. Und geschuldet durch meinen momentan eingeschränkten Wirkungskreis, sind die eher finsterer Natur.
Am Samstag berappe ich mich einigermaßen.
Die positive Linie auf meinem tagesaktuellen Test ist nur noch hauchdünn zu erahnen.
Ich bin fest entschlossen, den Rest Omikron mit einer geballten Vitaminkeule aus meinem Körper zu prügeln.
Mit einer rohen Ingwerknolle, mutig zum Verzehr bereit, in der Hand gucke ich grimmig der Multivitamintablette zu, die sich im Wasserglas mit aufgeregtem Blubbern auflöst. Schmerzmittel dazu, immerhin krampfen und schmerzen ja auch Teile meines Körpers aus anderen Gründen.
Mir ist natürlich bewusst, dass man dieses scheiß Virus nicht mit ein paar Vitaminpräparaten los wird. Ich möchte nur nicht nichts tun.
Soweit läuft dieser Plan auch wirklich gut, bis ich Montagmorgen mit Atemnot im Bett sitze, mein ganzer Körper kribbelt und der Mann in Sorge einen Krankenwagen ruft.
Eine Dreiviertelstunde werde ich zuhause überwacht, Teile der erweiterten Familie kommen notfallmäßig dazu, um sich um die Mädels zu kümmern und weiter zu packen.
Mein Herz rast.
Der Kopf erstickt in „was, wenn“ Szenarien.
Irgendwann ist dann der schlimmste Punkt überwunden und ich werde ruhiger. Ich bekomme wieder mehr Luft, meine Werte sind stabil.
Mehr Panikattacke, als Covid Beschwerden.
Der Mann schuftet wie ein Tier, um die letzten Sachen vor dem Umzug morgen irgendwie organisiert zu bekommen.
Ich kann heute nicht mehr mithelfen.
Mich noch nicht mal mehr ums Baby kümmern, außer, sie wird mir zum Stillen gebracht.
Dann ist Dienstag. 8.3.22. Umzugstag. Weltfrauentag. Ich bin zu müde zum kämpfen. Mir steckt der Tag gestern noch in den Knochen, die Jüngste war lange wach in der Nacht und heute muss ich einen Umzug organisieren, bei dem ich auf Abstand bleiben und mich gleichzeitig ums Baby kümmern muss.
Herausfordernd. Auch gesundheitlich. Ich möchte trotzdem irgendwann gleichwertig in meinem Job bezahlt werden. Just saying.
Ich verlasse früh morgens vor Eintreffen der Umzugsjungs die Wohnung und fahre zum Haus, um mich dort in dem Zimmer einzurichten, das am wenigsten betreten werden muss. Ich merke, dass ich einfach noch ganz schön mitgenommen bin.
Der wenige Schlaf tut sein Übriges.
Dienstag Abend.
Es ist (fast) alles im Haus.
Die Umzugsfirma hat tolle Arbeit geleistet!
In Rücksprache mit meiner Ärztin ist davon auszugehen, dass ich nicht mehr ansteckend bin. Ich habe auch keinerlei Husten/Schnupfen/Heiserkeit Symptome mehr.
Gleich zwei gute Dinge heute.
Jetzt müssen nur noch die Kinder ins Bett gebracht werden und der Kopf realisieren, was da eigentlich alles grade abging, die letzten Tage.
Ihr wisst, was jetzt kommt…
Wenn irgendjemand einen Delfin mit freien Therapieplätzen kennt: ich wäre mehr als bereit dafür 🐬
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